»... Jetzt habe ich etwas sehr sehr Erlesenes vor, die Lieder des chinesischen Kaisers Li Yü (um 900), die im Text eben an den Tag kamen und die ich ganz wörtlich übersetzen will mit feinsten Ausläuterungen, um den Unsinn der Nachdichtungen nochmals zu illustrieren – man darf den Fisch nicht aus der Tiefe nehmen... « Wense an Dieter Heim, 1956
Von den vielen Sprachen und entlegenen Dialekten, aus denen der Fragmentariker, Komponist, Wanderer, Fotograf, Wetterkundler und Weltensammler Hans Jürgen von der Wense (1894–1966) Übertragungen vornimmt, kommt dem Chinesischen eine Sonderstellung zu. Keine Sprache hat er so intensiv studiert, an seiner Übertragung des Laotse feilt Wense ein Leben lang. »Von allen meinen geistigen Erlebnissen u. Eroberungen und Welten ist China doch das tiefste, Firstbalken meines ganzen Lebens...« (Wense)
Der Antikanoniker beschränkt sich aber nicht auf die Klassiker der chinesischen Philosophie und Literatur, sondern widmet sich eben auch den hier vorliegenden Lieddichtungen des abgesetzten Kaisers einer Marginal-Dynastie; die großen fernöstlichen Weisheitslehren werden dabei um eine Ästhetik des Schwebens erweitert, die sich sensibel zeigt für die Zwischen- und Schwebezonen der Worte und die fragilen Binnenräume jeder Übertragung. Wenses Desiderat eines mehrstufigen Übersetzens, das seine offene Prozesshaftigkeit nicht verleugnet, haben wir in einem wahrhaftigen editorischen Exzess auf kleinstem Raum Rechnung getragen. Mit allen Zwischenstufen und Kommentaren für eine editorische Emanzipation der Vorstufen, der Schwebezonen jeder Übertragung.
»... der intimste Reiz dieser kolloiden Poesien ... ihre Schwebezartheit und ihre schwerpunktlose, aber selbstsichere Grazie, sie sind nichts als Seele und Hauch – eben deshalb heraufgezauberte Abbilder und Echostimmen unserer allerinnersten geheimsten Erfahrung...« Wense